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Hass gegen Frauen im Netz: Wie sollen wir uns wehren?

Hass gegen Frauen - im Netz allgegenwärtig

In den letzen Jahren habe ich in einer Sache ein bisschen Bauchweh: Wenn ich sehe, wie sich Hass und Hetze, besonders Hass gegen Frauen im Netz verbreiten. Noch erschreckender finde ich es, dass dem wenig bis gar kein Einhalt geboten wird.

Kürzlich hat Sigi Maurer, Ex-Politikerin der Grünen für einen ziemlichen Eklat gesorgt: Ein  Wiener Bierhändler schrieb sie per Facebook-Messenger an und beschimpfte sie übel und frauenfeindlich („… ficke ich dich gerne in deinen fetten Arsch …“). Sie setzte sich zur Wehr und veröffentlichte seine Nachrichten auf ihren Social-Media-Kanälen. „Anzeigen lässt sich so etwas nicht“, fügte Maurer zu ihrem Posting hinzu. Diese Veröffentlichung hat für die Ex-Politikerin vielleicht sogar rechtliche Folgen.

War das der richtige Weg? Nein, bestimmt nicht. Aber ich fürchte, es war der einzig wirksame. 

Für das Internet gibt es eigene Spielregeln, nur wissen wir (noch) nicht, welche

Wir bewegen uns seit gut 10 Jahren im Social Web. Es ist für uns ein Teil unserer Lebenswelt geworden. Aus meiner Sicht haben wir gegenwärtig ein massives Problem: Nicht nur, dass wir noch gar nicht wissen, wie man sich in dieser Welt richtig verhält. Diese Welt ist ein weitestgehend rechtsfreier Raum, der  kaum reguliert wird, was Hass gegen Frauen (bzw. Menschen) betrifft.

Es gibt nur wenige Studien und Untersuchungen zu diesem Problem und es wird vermutet, dass der Hass im Netz besonders Frauen betrifft. Das kann fatale Folgen haben, wie Amnesty International berichtet

Hass im (sozialen) Netz gehört schon längst dazu

Als ich 2008 meinen Facebook-Account erstellte, waren Social Media noch eine nette Spielerei. Der einzige Hass, der mir entgegenschlug war der von Figuren in Social Games. Die Leute in meiner Friendslist (und ich) posteten allerlei Interessantes und Unnützes aus dem Alltag. Gestritten wurde kaum.

Das hat sich komplett gedreht: Hass im Netz ist alltäglich geworden. Mittlerweile weiß ich schon, wenn ich eine Überschrift sehe, welche Art von Hasspostings mich darunter erwarten. Es ist normal, dass sich Menschen digital an die Gurgel gehen.

Wir denken über so etwas nicht mehr nach, wir sind nicht mehr geschockt und schon gar nicht alarmiert, außer es handelt sich um extreme verbale Auswüchse. Wir sind abgestumpft gegenüber dem Online-Hass und meistens froh, dass es nicht uns trifft.

Auch ich habe Hass im Netz miterlebt

Erstmals war ich selbst betroffen, als ich Hasskommentare auf einer Spaßseite auf Facebook meldete. Es handelte sich um einen Spruch über Leute, die im Winter knöchelfrei aber einen Schal von hier bis Oslo trugen. Die Kommentare darunter reichten von „das sind die untervögelten Schlampen“ bis hin zu „Das ist so eklig, da würde man gerne mit Springerstiefeln gegen die hässlichen Mistknöchel treten“. Ich meldete die Kommentare und da er nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstieß, wandte ich mich an den/die Seitenbetreiber/in mit der Frage, ob er/sie das okay finde. Daraufhin erhielt ich die pappige Antwort, dass er/sie sich die Kommentare nicht ansehen würde und den Nachsatz, ich solle in meinen Feministenbunker verschwinden.

Danach wandte ich mich in der Sache an eine Frauenzeitschrift, die über Hass im Internet berichtet hatten, an eine österreichische Politikerin, die gegen Hass im Netz vorgehen wollte und an mehrere Einrichtungen, die sich laut Internetrecherche damit beschäftigten. Niemand konnte weiterhelfen.

Ein anderes Mal wurde ich auf einer Datingseite übel beschimpft, nachdem ich einem Typen höflich zu verstehen gegeben hatte, dass ich kein Interesse hatte. Daraufhin folgte eine Hasstirade mit Aussagen wie er suche sowieso nur dumme Fotzen wie mich, die sich leicht ficken ließen. Ich blockierte und meldete den Typen, wandte mich an die Leute hinter der Plattform. Wieder konnte niemand helfen, trotzdem die Nachrichten des Typen eindeutig gegen die Verhaltensregeln der Seite verstießen.

Der österreichische Verein Zara stand mir bei und beriet mich, und bot auch an, die Betreiber/innen der Datingseite zu kontaktieren. Weil ich mir davon keinen Erfolg versprach, ließ ich die Sache auf sich beruhen. 

Wer muss Verantwortung übernehmen?

Aus meiner Sicht müssen sich einige Dinge ändern, damit das Social Web wirklich zu einer sozialeren Welt wird, in der sich Menschen gerne und gefahrlos aufhalten können.

Gesetze müssen verschärft, Polizei und Behörden nachgeschult werden.

Die technischen Möglichkeiten im Social Web müssen angepasst werden. So könnte man z. B. auf Facebook Funktionen einführen oder verändern: Die Einstellung, Kommentare grundsätzlich zuzulassen oder nicht, oder mit der Möglichkeit, sie freigeben zu können. Und warum ist es so kompliziert ein Hassposting zu melden? 

Aus meiner Sicht müssten auch Seitenbetreiber dazu verpflichtet werden, die Kommentare unter ihren Beiträge ausreichend und verantwortungsbewusst zu moderieren. Wenn schon nicht per Gesetz, sollte es wenigstens ein Art Social-Media-Ehrenkodex geben, zu dem sich Unternehmen bekennen können.

Kinder vebringen viele Stunden am Tag im Web. Es ist mir wirklich schleierhaft, warum es bis dato keinen verpflichtenden und flächendeckenden  Unterricht zu „Ethik im Netz“ und „Medienkompetenz“ an Schulen gibt. Das wäre aus meiner Sicht sinnvoller als so mache andere Fächer. 

Strategien bei Hass gegen Frauen im Netz

Welche Möglichkeiten haben wir, wenn wir selbst beleidigt, bedroht oder beschimpft werden? Ist ignorieren eine Lösung? Oder ist es besser, Feuer mit Feuer zu bekämpfen? Und was können wir tun, wenn wir keine rechtliche Handhabe haben, wie im Fall von Sigi Maurer und den vielen anderen Beispielen? 

Trolle und Frauenhass ignorieren?

Im Zuge der Medienberichterstattung in der Causa Sigi Maurer meinten einige Frauen, sie hätte da halt drüberstehen müssen. „Drüberstehen“ erinnert mich an den Schulhof: Wenn Buben den Mädchen die Röcke hochreißen, diese verhalten und peinlich berührt kichern und die Lehrerinnen dann vermeintlich tröstend sagen: „Mach dir nichts draus, so sind Buben halt“.

Dieses Drüberstehen ist für mich keine passende Lösung. 

Ich tendiere in letzter Zeit dazu, Trollen und frauenfeindlichen Aussagen zu widersprechen. Warum dies sinnvoll ist, fasst dieser Artikel gut zusammen. Wenn nämlich nicht widersprochen wird, spiegelt dies eine falsche Realität wider. Weil die guten Stimmen schweigen, werden die bösen immer lauter. 

Selbstjustiz: Sollen wir den Leuten (virtuell) in die Fresse hauen?

Seit #metoo werden vermehrt Stimmen und Vorwürfe laut, die fragen, warum Frauen sich denn nicht „einfach“ wehren würden. Naja, wie denn, wenn es keine rechtliche Handhabe gibt?! Ist es in so einem Fall vielleicht sogar legitim, zur Selbstjustiz zu greifen, wie es Sigi Maurer getan hat?

Ich wurde von einem Ex-Vorgesetzten sexuell belästigt. Ich wehrte mich oft und lauthals mit Worten, weil das nichts brachte, kündigte ich schließlich. Über Beratungsstellen wie z. B. die Gleichbehandlungsanwaltschaft war ich damals noch nicht im Bilde, außerdem hätte ich keine Kraft mehr gehabt, zu kämpfen.  Als ich mit einem seiner Freunde (der auch Psychologe ist) Jahre danach darüber sprach, meinte dieser: „Weißt du, du hättest dem mal richtig eine in die Fresse hauen sollen. Dann hätte er das nicht mehr gemacht.“ Ich muss so ehrlich sein und sagen, dass ich sehr oft mit dem Gedanken gespielt habe. Lange Zeit danach und bis heute hält mich nur die Vernunft zurück.

Das ist natürlich keine Lösung. Wo kommen wir denn hin, wenn das jede*r macht? Nur, vielleicht sind in drastischen Fällen Ausreißer sinnvoll, vielleicht muss vor Augen gehalten werden WIE extrem die Situation und der Hass gegen Frauen und Menschen wirklich sind. 

Strafrechtlich relevante Tatbestände anzeigen

Wenn es möglich ist, bin ich dafür, ohne Wenn und Aber anzuzeigen. Es mag komisch anmuten, zum nächsten Polizeiposten zu gehen, das Smartphone vorzulegen und zu sagen, dass man da etwas anzeigen möchte. Doch bis es in Österreich mehr Möglichkeiten gibt (z. B. die Online-Anzeige) müssten wir das wohl auf diesem Wege erledigen.

Veröffentlichen

Ich habe vor einiger Zeit angefangen, einige frauenfeindlichen Nachrichten und Posts zu veröffentlichen. Es hilft mir, weil ich erstens damit nicht alleine sein muss und zweitens sichtbar machen möchte, was passiert.

Im Fall Sigi Maurer hätte ich es wahrscheinlich ähnlich wie sie gemacht, aber ohne Namen zu nennen. 

Grundsätzlich muss natürlich jede/r für sich entscheiden, wie er reagieren möchte und was überhaupt im Bereich der persönlichen Möglichkeiten liegt. 

Stillhalten, Erdulden und Schweigen sind für mich jedoch schon lange keine Lösungen mehr.

Weiterführende Informationen und Links

Seite des Bundeskanzleramts – Gewalt im Netz

Beratungsstelle gegen Hass und Hetze –  CounterACT!

Beitragsbild: pixabay.com/StockSnap

2 Kommentare zu “Hass gegen Frauen im Netz: Wie sollen wir uns wehren?

  1. Hast du mal die Gegenprobe gemacht und festgestellt, wie viel Männer umgekehrt Hass im Internet ausgesetzt sind? Der mag nicht so häufig sexistisch konnotiert sein, kommt aber ebenfalls mit Beleidungen daher: Arschloch, Wixer, Weichei, Warschduscher, Idiot … Ich denke, wir müssen das wohl oder übel ertragen. Mir persönlich ist es lieber, dass ich von irgendwelchen Leuten im Internet beleidigt werde, als dass mit absurden Gesetzen der Hang von Internetgrößen wie Facebook oder YouTube entsteht, sich einer Selbstzensur zu unterziehen, der dann auch alle möglichen nonkonformen Meinungsäußerungen unterliegen können. Daher meine Aufforderung: Etwas mehr Gelassenheit. Versuche eher an deinem Selbstbewusstsein als Frau, als Mensch, als Ich zu arbeiten, als dir darüber Gedanken zu machen, wie man solche Hassäußerungen (du sprichst sogar von »Hetze«, was ich arg übertrieben halte, denn die setzt ja einen flächendeckenden strukturellen Frauenhass voraus) unterbindet. Sonst kriegen wir allmählich amerikanische Verhältnisse hier: immer neue Opfergruppen formieren sich, die sich beleidigt und durch irgendetwas herabgesetzt werden. Eine endlose Spirale des Gekränktseins, die letztlich doch nur dazu führt, dass man sich immer stärker in seine eigene Empfindlichkeit eingräbt, statt umgekehrt den Weg zu gehen, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken.

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