körper & seele

Burnout-Prävention gibt es nicht! (Interview)

So geht Burnout-Prävention wirklich - Expertin Birgit Kavelar-Grascher im Interview

Interview mit Birgit Kavelar-Grascher, Psychosoziale Beraterin, Mentaltrainerin und Supervisorin.

Burnout-Prävention ist das A und O, sagen die einen.

„Burnout-Prävention gibt es nicht!“ sagt hingegen Birgit. Das klingt vielleicht ein bisschen provokant in Zeiten, in denen wir mit Kursen und Inhalten zum Thema Burnout-Prävention quasi geflutet werden.

Transparenz & Disclaimer: Birgit ist eine Kundin von mir und ich habe sie als Blogexpertin im Rahmen meiner VIP-Betreuung beraten. Dieses Interview ist unbezahlt und nicht Teil der Betreuung und daher ein redaktionieller und kein werblicher Beitrag. Dieser Blogbeitrag ersetzt keine ärztliche oder therapeutische Beratung oder Behandlung!

Als ich Birgit kennenlernen und erleben durfte, habe ich selbst Feuer für ihre Arbeit gefangen. Birgit hat sich das Thema „mentale Gesundheit“ auf die Fahnen geheftet und legt dabei großen Wert auf Achtsamkeit. Sie ist Lebens- und Sozialberaterin (ein in Österreich reglementiertes Gewerbe mit einer intensiven Ausbildung), Mentaltrainerin und Supervisorin.

In ihrer Arbeit mit Klientinnen und Klienten greift sie auf einen großen Erfahrungsschatz und einen ebenso umfangreichen Methodenkoffer zurück.

Gespräche mit Birgit sind jedes Mal magisch und ich bin verblüfft, wie viel Weisheit, Empathie und Wärme in ihren Aussagen stecken und wie viel wir von ihr lernen können!

Deshalb freue ich mich doppelt und dreifach, dass sie fürs Interview bereit war!

Liebe Birgit, was meinst du damit, wenn du sagst: „Burnout-Prävention gibt es nicht“?

Es gibt zwar Burnoutprävention aber da muss man schon viel früher ansetzen. Das heißt, dafür braucht es erst einmal ein Grundverständnis von sich selbst, ich muss mich selbst erst einmal spüren lernen.

Damit ich nicht in ein Burnout gerate, muss ich sehr achtsam sein mit mir, vorbeugend denken, mir meine Kraft und Zeit einteilen und mir muss bewusst sein, dass ich wissen muss, wann genug ist.

Viele wissen das vielleicht, nehmen es aber nicht ernst genug.

Das ist wie mit den Kindern, denen du sagst: „Zieh deine Jacke an, sonst wirst du dich erkälten“ und sie ziehen sich trotzdem keine an.

Erkennt man selbst oder kann es von außen jemand erkennen, wenn man ins Burnout schlittert?

Selbstverständlich – es gibt sogar einen Test, den man machen kann und der aufzeigt, in welcher Stufe man sich befindet. Auch in Beratungen kann ich zum Beispiel herausfinden, auf welcher Stufe sich jemand befindet, wenn ich die richtigen Fragen stelle.

Die Stufen gehen bis 12, das ist dann schon der komplette Shutdown. Bis zur Stufe 11 ist es noch etwas einfacher möglich, zurückzurudern, natürlich muss man dafür wissen, wie.

Grundsätzlich ist es nie zu spät, darauf achtzugeben, egal, wie weit man schon drinnen ist! Das heißt, selbst wenn man sich bereits im Burnout befindet, kann das eine Chance sein. Sehr viele Betroffene sind danach achtsamer als je zuvor und die Alarmglocken schlagen viel schneller an.

Was sind die Anzeichen für ein drohendes Burnout?

Anzeichen können sein: Wenn du ständig angespannt bist, dich gar nicht mehr entspannen kannst, auch wenn du frei hast, wenn das Gedankenkarussell ständig kreist.

Bei anderen wiederum kann sich das in körperlichen Symptomen oder in ihren Schwachstellen äußern: Herpes, Gürtelrose, Migräne, ständiges erkältet und krank sein bis hin zum nicht erholsamen Schlaf.

Auch in der Ernährung oder in Gewohnheiten kann sich das zeigen: die eine hat Heißhunger, der andere isst gar nichts mehr. Manche greifen verstärkt zum Alkohol oder Zigaretten.

Und auch Konzentrationsschwächen und die sogenannte Aufschieberitis können Anzeichen dafür sein, dass man sich auf dem Weg in ein Burnout befindet.

Auch Aggression kann auftreten – z. B., wenn man von der Familie daheim total schnell genervt ist.

Es kann vor dem Burnout auch erst einmal zu Persönlichkeitsveränderungen kommen, eben vom kompletten sozialen Rückzug bis hin zur totalen Extrovertiertheit ist alles möglich.

Das ist total individuell und unterschiedlich.

Man hat aber das Gefühl, dass es in unserer Leistungsgesellschaft fast „cool“ ist, ständig gestresst und unter Druck zu sein. Gibt es da einen Zusammenhang?

Ja klar, man wächst ja mit diesem Druck bereits auf und die Kinder in der Schule bekommen ihn schon zu spüren.

Normal müsste man das anders machen: Kinder haben ihre Stärken und genauso ihre Schwächen, das gilt auch für Schulfächer. Ein Kind ist vielleicht gut in Englisch und Deutsch aber nicht in Mathematik. Dann ist es wichtig, nicht den Druck aufzubauen und das Kind zu zwingen, dass es mehr lernt, sondern es sinnvoll zu begleiten. Indem man es z. B. fragt: „Wo brauchst du denn Hilfe? Wie kann ich dich da unterstützen?

Kinder schlittern zwar für gewöhnlich nicht so schnell ins Burnout aber man kann schon was damit anrichten.

Ich kenne Beispiele aus meinen Beratungen, da bekommen Menschen schon von ihren Eltern den Druck auferlegt und diesen immensen Leistungsdruck geben sie dann auch an ihre Kinder weiter, weil sie aus dem Fahrwasser nicht herauskommen.

So kann sich das schleichend und langsam bis hin zum Burnout entwickeln, sogar über Jahre. Die Schmerzgrenze von Menschen ist ja auch unterschiedlich.

Schlimm ist es auch, wenn jemand einfach nicht kann oder nicht genug gefordert wird. Solche Menschen können ins Bore-out oder in eine Depression schlittern.

Wie kann man dem Burnout nachhaltig vorbeugen? Wie geht Burnout-Prävention wirklich?

Man kann einem Burnout nur vorbeugen, wenn man sich spürt und ein bisschen mehr auf sich hört – und dann weißt man auch, wann genug ist. Egal, welchen Leistungsdruck es gibt.

Wenn der Druck manchmal groß ist, für eine bestimmte Zeit, das ist ja okay. Das kann zum Beispiel sein, wenn du gerade etwas erreichen willst oder ein Ziel vor Augen hast, eine Ausbildung machen oder ein Projekt fertigmachen willst. Dann weißt du, das ist jetzt eine harte, aber begrenzte Zeit, zwischendurch schaust du, dass du deinen Ausgleich findest. Aber dann brauchst du wieder eine Pause oder ein bisschen weniger. Dann kann man kurzzeitig auch gut mit Druck umgehen, wenn man sich das im Kopf quasi abspeichert und somit an den Körper signalisiert.

Aber das sich spüren ist das Um und Auf. Deshalb habe ich zu dem Thema auch meinen ersten Blogartikel „So lernst du dich selbst wieder spüren“ geschrieben.

Einfach einmal kurz innehalten und sich fragen: „Wie geht es mir denn heute?“. Oft stellst du dann fest „Heute bin ich am Zenit“, oder „Heute ist ein Sch… Tag, es geht alles daneben, ich hab schon Kopfweh und bin genervt!“ – Ja was ist das für ein Signal? Dass man wahrscheinlich ein bisschen runter muss vom Gas.

Das heißt, wenn man soll sich dann auf die Couch legen und nichts tun? Das können ja viele gar nicht …

Nein, du musst nicht nix tun.

Nichtstun fürs Nervensystem heißt: Tu irgendwas, was dir guttut, was dich in Sicherheit bringt.

Da kann Spazierengehen sein, oder im Garten entspannen und an den Blumen herumzupfen, in den Wald gehen. Alles, was dich runterfahren und dich wohlfühlen lässt. – Das ist der Clou der Sache: wo fühle ich mich wohl und sicher?

Sich auf die Couch liegen und nix tun, kann ja wieder stressen und dein Nervensystem anheizen, wenn du dich dabei nicht wohlfühlst. Da kannst du vielleicht nicht abschalten, weil du denkst: „Ich weiß, jetzt muss ich Ruhe geben, ich muss mich entspannen, aber eigentlich müsste ich tausend Dinge tun!“ Dann erreichst du den genau gegenteiligen Effekt.

Und umgekehrt gilt das auch! Wenn jemand zum Beispiel sagt: „Zum Ausgleich muss ich jetzt auf den Berg laufen oder keine Ahnung welche Sportarten machen, damit ich runterkomme und mich auspowere!“

Ja, es gibt Leute, die das wirklich mögen, die das in den Ausgleich bringt, weil sie sich wirklich wohlfühlen, für die ist es gut. Aber für andere – für mich persönlich auch – ist das Stress! Ich geh gerne auf den Berg, aber wenn ich da rauflaufen müsste und mich selbst praktisch zwingen, dann ist das Stress.

Das Nervensystem wird nicht ausgeglichen. Du heizt damit nur den Sympathikus an: „Gemma, Vollgas!“

Du hebst aber nicht den Parasympathikus hervor, der das dann ausgleicht, sodass dein Tonus sich beruhigt. Und alles im Körper hängt damit zusammen, von den Augen angefangen, über die Verdauung, Atmung, Stimme, Herz, Leber, Lunge, etc. Wenn der Parasympathikus, also der Vagusnerv aktiviert ist, dann kann sich alles entspannen, vorher nicht.

Wir wissen ja eigentlich, dass Spazierengehen und Co gesund für uns wären. Warum betäuben sich dann viele Menschen trotzdem mit Serienmarathons oder greifen zu Alkohol, wenn sie sich gestresst fühlen?

Viele wollen sich damit nicht auseinandersetzen oder sich mit sich selbst beschäftigen. Wenn jemand das verlernt hat, sich zu spüren und auf sich zu hören, dann ist es ja, wie beim Sport erst einmal Training. Und das kann manchmal echt unangenehm sein, bis ich mir das wieder antrainiert habe.

Wenn ich mich also ständig berieseln lasse, damit ich abgelenkt bin oder zum Alkohol greife, verdränge ich ja etwas. Dann spürst du dich ja erst wieder nicht und du weißt nicht, was du jetzt wirklich brauchst.

Da kann man zum Beispiel, statt einen Film abends anzuschauen, noch eine Runde rausgehen, oder in den Garten oder einfach mal ins Bett und dort lesen oder schreiben. Dann merkt man erst einmal, wie schnell man auch müde wird. Ein Film hingegen heizt dich ja wieder auf.

Wobei ich schon sehe, dass sich die Gesellschaft etwas dreht. Mehr Freizeit, mehr Ausgleich und dafür ein paar weniger Stunden Arbeit – so blöd ist das gar nicht, abgesehen von Wirtschaft und Verdienst – aber für einen selbst kann das gut sein.

Welchen Tipp oder Tipps möchtest du meinen Leser:innen noch mitgeben?

Achtsam und bewusst sein und erkennen.

Das geht, indem du dir bewusst Zeit dafür nimmst, in dich zu hören und in dich zu spüren.

Fragen, die du dir dabei stellen kannst, sind z. B.:

  • Wann fühle ich mich gut?
  • Wann fühle ich mich nicht gut?
  • Warum geht es mir heute so gut?
  • Warum geht es mir heute nicht gut?

Erst wenn ich etwas erkenne und mir bewusst mache, kann ich etwas tun und handeln.

Es geht nicht immer darum, damit etwas zu tun, manchmal kannst du das, was du spürst, einfach stehen lassen und annehmen.

Oder du kannst dir überlegen: Was tut mir gut?

Was kann ich tun, damit ich mich wohl und sicher fühle?

Das ist die wahre Prävention.


Herzlichen Dank für das Interview!

Birgits Blog mit vielen Tipps und ihr Beratungsangebot findest du auf ihrer Website Mindful Living Lounge. Folge ihr für mehr Tipps am besten auf Instagram!

Fotocredit: Sophie Schaller

3 Kommentare zu “Burnout-Prävention gibt es nicht! (Interview)

  1. Liebe Pipa, liebe Birgit ,

    Klasse auf den Punkt gebracht, vielen Dank!
    Nachdenkenswert und ein Reminder rechtzeitig
    achtsam zu schauen was es braucht um eigene die innere Quelle zu speisen .
    Viele Grüße! Jana

  2. Liebe Birgit, in einigen Punkten pflichte ich dir bei. Wir Menschen sind unterschiedlich, daher darf es auch unterschiedliche Lösungsansätze geben. Danke für dein interessantes Interview. LG Werner

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